Alwin Dorok - Malerei, Wandgestaltung

Malerei


Meine analytische Auseinandersetzung mit der Malerei führte mich zu dem Ergebnis, daß jedes Bild von 3 Elementen bestimmt wird, unabhängig von Stil und Inhalt. Es ist die Form, die Farbe und der Duktus, ohne sie kann kein Bild existieren. Sie sind untrennbar miteinander verwoben. Jede Farbe ist in eine Form gebettet, jede Form entsteht durch einen Duktus.

Mein Hauptaugenmerk konzentriert sich in meiner Malerei eindeutig auf die Farbe. Das faszinierende an der Farbe ist ihre Unberechbarkeit, die sich ständig je nach Lichtverhältnisse und Umgebung minimal wandelt, sowie das Wechselspiel der einzelnen Farben untereinander. Die Farbe befindet sich im ständigen Dialog mit dem Licht, dem Raum und sich selbst. Um diese Phänomene zu verdeutlichen, baue ich meine Malerei polychrom auf. Der endgültige Farbton ist eine Summe aus vielen Malschichten in Eikaseintempera. Ich erarbeite mir meine Farben auf der Leinwand.

Klare, geometrische Formen sind in ihrer Wirkung zurückhaltend, ja fast neutral und lassen den vollen Charakter einer Farbe in Erscheinung treten. Die festgelegte, mathematisch definierte Bildkomposition verleiht dem Bild durch seine Statik Ruhe und Ausgewogenheit.

Seit 2006 arbeite in an einer Bilderserie mit dem Titel Jumping Squares. Es sind Quadrate, meist auf der Spitze gestellt, also Rauten auf dem sich ein zweites imaginäres Quadrat auf unterschiedliche Weisen dreht. Die so entstehenden sich überschneidenden Flächen ergeben die verschiedenen Bildkompositionen.

 

 

Papierarbeiten


Meine neuesten Papierarbeiten haben sich aus meiner Malerei auf Leinwand, der Bilderserie Jumping Squares, heraus entwickelt. Steht in meiner Malerei die Farbe und malerischen Aspekte im Vordergrund, so sind es in den Papierarbeiten das Material und graphische Aspekte. An Stelle der Farbe setze ich mich hier mit dem Charakter verschiedener Papiere, dem Schwarz / Weiss Kontrast und den Gesetzmäßigkeiten der Geometrie auseinander. Die ersten Papierarbeiten hatten den Zusatztitel ...Abwesenheit von Farbe.

Ist die Formensprache in den Bildern aufs wesentlichste reduziert, ja schon rudimentär, entfaltet sich in den Papierarbeiten die Vielfalt der Möglichkeiten, wie die einzelnen Quadrate auf unterschiedlichster Art und Weise springen können. Faktoren wie Drehpunkt der Quadrate, Größenverhältnisse der einzelnen Quadrate zueinander, sowie Winkelgrößen, in denen sie sich drehen spielen in der Bildgestaltung meiner Papierarbeiten eine zentrale Rolle.

Die verwendeten Winkelgrößen spielen in der Geometrie, der Architektur und in sämtlichen Entwicklungen der unterschiedlichsten Kulturen eine zentrale Rolle. Sie sind in diesem Sinne universell und spiegeln einen Teil unserer kulturellen Errungenschaften wieder.

 

 

Beide Texte: Alwin Dorok

 

 

 

FORM - FARBE - DUKTUS: SPRINGENDE QUADRATE - JUMPING SQUARES


Der analytisch arbeitende Künstler und Mensch des Maßes Alwin Dorok befreit die Malerei von allem Überflüssigen und reduziert sie auf ihre drei Grundelemente: Form, Farbe und Duktus. Für ihn sind diese Elemente untrennbar miteinander verbunden: "Jede Farbe ist in eine Form gebettet, jede Form entsteht durch einen Duktus".

Die Aufgabe seiner Kunst sieht der Künstler Alwin Dorok in der Bildung eines Gegenpols zur bestehenden reizüberfluteten Mediengesellschaft. Seine Bilder der Stille laden zum intensiven Schauen ein. Hier ist er ganz Künstler der Moderne: war doch das auffälligste Merkmal der Arbeiten nach dem Zweiten Weltkrieg, daß sie nichts darstellten, was man auf den ersten Blick erkennen konnte. Ihre Betrachtung erforderte neue Sichtweisen. Weniger das "Etwas aus einem Bild herauslesen" war - und ist - gefragt, als vielmehr das "Hineinsehen", was Phantasie, Sammlung, Besinnung udn Selbstbefragung erfordert. Durch die offene Botschaftslosigkeit der Bilder wird der Betrachter auf sich selbst zurückgeworfen. Er ist gezwungen, über sich selbst und seine Welt nachzudenken. Diese Einladung zum Innehalten erachtet der Künstler als wesentliches Ziel seiner Kunst.

 

 

FORM


In der Tradition der geometrischen Abstraktion und des Neokonstruktivismus arbeitet Alwin Dorok in Serien. Er wählt für seine Arbeit das Quadrat als Grundform seiner Kompositionen und gibt ihnen den Titel "Jumping Squares" mit fortlaufenden Nummern.

Assoziationen zu Josef Albers Huldigungen an des Quarat "Homage to the Square" sind berechtigt, spüren sie doch dem Eigencharakter und dem Zusammenklang der Farben ebnso nach wie Doroks springende Quadrate. Beide Künstler experimentieren mit der Wirkung von Farben, Formen, Linien und Flächen und mit der Subjektivität der optischen Wahrnehmung. Dennoch, bei genauerer Beschäftigung unterscheiden sich Konzept und Umsetzung. Doroks Bilder bestehen nicht aus drei oder vier ineinander geschachtelten Quadraten verschiedener Farben, sondern jeweils nur aus einem Quadrat: Zu Anfang der Serie "Jumping Squares" liegt über dem sichtbaren Quadrat in Form einer Raute ein zweites imaginäres, das sich mittig über dem sichtbaren dreht - springt. Die daraus entstehenden Ecken werden andersfabig gestaltet.

Bei den späteren Kompositionen wird das imaginäre Quadrat so gedreht, daß sich im untern Teil ein Dreieck ergibt, welches auf der Spitze steht und die Basis der Raute bildet; das Bild damit in gewisser Weise erdet und ihm Halt gibt, sowie Ruhe verleiht. Die der Dreicksspitze gegenüberliegende Länge, die Hypotenuse, wird wiederum zur Seitenlänge der nächsten Komposition und so weiter. Die Fläche ist immer Ausgangspunkt für die Bildaufteilung. Die festgelegte, mathematisch definierte Bildkomposition verleiht dem Bild platonische Ruhe und Ausgewogenheit. Klare, geometrische Formen erwählt der Künstler auch deshalb bewußt, weil sie in ihrer Wirkung zurückhaltend, fast neutral sind und den vollen Charakter einer Farbe in Erscheinung treten lassen. Die Rautenform löst den statischen Charakter des Quadrates und der Fläche auf und laßt die Farbe frei zur Geltung kommen.

 

 

FARBE


Seelenverwandt mit dem Künstler Josef Albers liegt das Hauptaugenmerk Alwin Doroks eindeutig auf der Farbe. Dessen ganz aus der malerischen Praxis abgeleiteten Theorie "Interaction of Colors", Kommunikation der Farben, hat Dorok begeistert gelesen, teilt mit dem "Vorbild" die Überzeugung, daß die Farben ihr eigentliches Ziel der künstlerischen Bemühungen sind, unterscheidet sich dennoch in entscheidenden Punkten von ihm und entwickelt sein eigenes künstlerisches Konzept. Albers setzt ein bis zwei Schichten ungemischte, industriell hergestellte Farben auf die Leinwand und notiert deren Artikelnummer auf der Rückseite der Bilder. Dadurch wird ersichtlich, daß ein und dieselbe Farbe je nach Umgebung völlig unterschiedlich auf den Betrachter wirkt. Im Gegensatz dazu baut Dorok seine Farben auf der Leinwand polychrom in zahlreichen Schichten als Ergebnis eines intensiven analytischen Prozesses auf.

Was Giotto im 13. Jahrhundert in seinen Fresken, die teils in Mischung mit "al secco"-Techniken entstanden, galang: eine Farbintensität besonderer Güte im Betrachterauge zu evozieren, versucht Alwin Dorok im 21. Jahrhundert "nachzuempfinden" und plädiert für eine neue Sehschule, d. h. eine Betonung der sinnlichen Ebene. Wie bei Giottos Fresken gehen den quadratischen Kompositionen Doroks lange Planungs- und Vorbereitungsphasen voraus, denen schließlich eine sorgfältige Umsetzung folgt. Zunächst schaut Dorok genau hin: ins Licht, was eher einer Reizung des Sehnervs als vielmehr einem bewußten Erkennen gleicht. Bei dieser Reizung "sieht" er viel Magenta, sowie schmutzige oder strahlende Farben, ähnlich den Spektralfarben. Genau diese Farbigkeit reizt den Künstler, sie in Maleriei umzusetzen.

Wie der von ihm verehrte Giotto mischt Dorok seine Farben selbst und besitzt ein ähnliches Abstraktionsvermögen: Giotto mußte vor Erstellen seiner Fresken wissen, wie die in Wasser eingesumpften und auf den frischen Kalkputz aufgetragenen Pigmente nach dem Einbinden in den Putz erscheinen werden. Das Licht, das seine Fresken ausstrahlen, fasziniert bis heute. Auch Dorok ist geleitet von einer klaren Vorstellung des Farbtons, bevor er ihn auf der Leinwand in so vielen Schichten aufbaut, bis er schließlich seiner Vorstellung gerecht wird. Für die größeren Farbflächen seiner "Jumping Squares" wählt er bewußt Ei/kasein-Tempera. Das leuchtstarke und farbintensive Malmittel der Tempera-Malerei, das tradinionell zum Malen von Ikonen und als Untermalung von Ölbildern in Lasurtechnik verwendet wurde.

Die Nachkriegsabstraktion unternahm schließlich den Versuch, aus der Illusion des Tafelbildes in eine neue konkret auf den Betrachter bezogene und somit "realistische" Kunst vorzudringen. Und dies in einer Art mystischen Versenkung in das Medium Farbe. Gleiches trifft auf die Bilder Alwin Doroks zu. Die "Leere" der Bilder läßt dem Betrachter in ungewohntem Maße Platz für eigene Empfindungen. Zeit und Raum verlieren vor den Bildern ihre Bedeutung. Anders allerdings zu Barnett Newman oder Marc Rothko verwendet Dorok nicht meist große Leinwände, sondern eher wie Josef Albers mittlere bis kleinere Formate. Die Bilder von Newman, Rothko, Ad Reinheardt und Dorok fordern Ruhe: angesichts einer beschleunigten Gesellschaft ist hierin ein klarer Appell des Künstlers zur Verlangsamung zu sehen.

 

 

Duktus


Faszinierend bei diesen Bildern der Stille und Versenkung ist die Unberechenbarkeit der Farbe, die sich ständig je nach LIchtverhältnisse und Umgebung minimal wandelt, sowie das Wechselspiel der einzelnen Farben untereinander. "Die Farbe steht im ständigen Dialog mit dem Licht, dem Raum und sich selbst", schreibt der Maler.

Diese Unberechenbarkeit fängt der Künstler mit einem ganz eigenen Duktus ein, womit nicht eine Bejahung einer individuellen Handschrift gemeint ist. Vielmehr geht es um eine bewußte Unterscheidung im Duktus bei den großen und kleinen Farbflächen der springenden Quadrate: um die Lösung eines malerischen Problems, wenn zwei Farben aneinanderstoßen. Formal löst Dorok das Problem derart, indem er für die großflächigen Partien die selbst gemischten Ei/Kasein-Temperafarben, um eine gewisse freskenartige Mattigkeit und Farbtiefe zu erhalten, wässeriger und glatt gestrichen in den wie oben beschriebenen Schichten aufbringt, in den Ecken bzw. unteren Partien dagegen pastos umsetzt.

Dafür hat er eine eigene Technik entwickelt. Zunächst trägt er Temperafarben als Untermalung auf. Dann erwärmt er Bienenwachs und verdünnt es mit Terpentin. Nach der Erkaltung rührt er die jeweiligen Pigmente ein; die daraus entstehende Masse läßt sich wie eine dickliche Creme auf die Leinwand aufspachteln. Anschließend bearbeitet der Maler diese Fläche mit einem Pinsel, den er in einen Bohrer einspannt. Dem Bohrpinsel ist ein gewisser Grad der Automatisierung eigen, so daß sich die Bearbeitung der Fläche der rationalen Kontrolle des Künstlers entzieht. Durch die Art der Bearbeitung kommt die Untermalung durch, gleichzeitig gewinnen diese Flächen eine faszinierende Plastizität und Struktur, ja Stofflichkeit. Zudem hinterläßt die Rotation des Bohrpinsels Bearbeitungsspuren, die zu einem wirbelartigen Duktus und einer nicht geraden Linie führen, die beide Farbflächen voneinander trennt. Ein Detail, das dem Künstler äußerst wichtig ist, stellt die gerade Linie doch ein rein graphisches Elemant dar, was in seinen Schwarz-Weiß-Kompositionen aus weißem Japanpapier und schwarzer Pappe, die er mit geometrischen Winkelfunktionen kombiniert, zum Tragen kommt. Darüber hinaus erinnert dieses Detail an die sanften, nicht abweisenden unscharfen Farbflächen Marc Rothkos. Bei längerer Betrachtung entfaltet die derart von Dorok bearbeiteten kleineren Farbflächen des Bildes eine tiefe Sinnlichkeit, während der matte Farbauftrag der großen Partien zugleich die Oberfläche und damit die Flächigkeit der Gemäldes betont.

Läßt man sich auf eine längere Beschäftigung mit den Bildern ein, eröffnen sie einem eine erstaunliche farbliche Vielfalt. Diese subtile Wirkung ist vor allem vor den Originalen erfahrbar. In den Farbraum dringt man mit den Blicken immer tiefer ein, ähnlich dem Effekt, wenn die Augen ins Licht schauen und dabei die "Nachbilder" mit den Farben Magenta, ungewöhnlichen Grün- und Blautönen und ähnlichen Nuancen im inneren Auge hängen bleiben. Plötzlich sieht man viele Dinge, die einem zuvor verborgen waren.

 

Text: Dr. Astrid Jacobs zum Katalog - Alwin Dorok, Jumping Squares, 2013

 

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